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Ein bundesweites Medienzentrum fuer Blinde



Hier in Hamburg entstand vor einigen Monaten im DVBS eine
Arbeitsgruppe, in der wir uns mit dem Thema Benutzbarkeit digitaler
Medien fuer Blinde beschaeftigen. Nun ist ein Text fertig geworden, in
dem wir uns fuer die Gruendung eines Medienzentrums aussprechen, zu
dessen Aufgaben, z. B. gehoeren sollte, das Internet fuer Blinde
zugaenglicher zu machen, bzw. den Zugang zu gewaehrleisten. Diesen Text
haenge ich an diese Nachricht. Er ist gut 9 kb gross. Der Text soll auch
in den dafuer geeigneten Zeitschriften erscheinen. Fuer die Weitergabe
an diese Zeitschriften werden wir sorgen. Wer Anregungen zum folgenden
Text hat, kann sie an mich schicken.

          <***  ml  ***>

Bundesweite Medienzentrale fuer Blinde und Sehbehinderte



Zweck:


Die zunehmende Bedeutung elektronischer Medien in Form von CD-ROM-
Datentraegern und unmittelbar ueber das Internet sowie Online-
Dienste abrufbaren Informationen eroeffnet gerade fuer Blinde und
Sehbehinderte neue Chancen undMoeglichkeiten der
Informationsverschaffung, indem sie den unmittelbaren Zugriff auf
Informationen erlauben, die sonst erst muehsam eingescannt werden
muessten oder  nur durch die Inanspruchnahme der Hilfe von Sehenden
zugaenglich waeren. Diese in letzter Zeit rasant zunehmenden
Informationsmoeglichkeiten (Lexika, Nachschlagewerke, Fachliteratur
oder allgemeine Informationsquellen, wie Tageszeitungen sowie der
Bundesbahnfahrplan) koennen heute zum Grossteil auch von blinden und
sehbehinderten PC-Nutzern abgefordert  und via Sprachausgabe,
Braillezeile oder Grossschriftsystem zugaenglich gemacht werden.
Diesen neuen Chancen und Moeglichkeiten stehen in der sich
anbahnenden Entwicklung hin zur multimedialen
Informationsgesellschaft  Risiken und Nachteile gegenueber. Und zwar
dann, wenn die auf graphische Benutzeroberflaechen, Bildern und
Bedienung durch Mausklick angelegten Programme, die immer weniger
textorientiert sind,  zu zusaetzlichen Zugangsbarrieren werden, die
Blinde und Sehbehinderte, anstatt ihnen die Informationsgewinnung
zu erleichtern, von der sich abzeichnenden Entwicklung abschneiden
und gegenueber dem Rest der Bevoelkerung weiter ins Hintertreffen
geraten laesst. Hier ist die Schaffung einer bundesweiten
Medienzentrale fuer Blinde und Sehbehinderte gefragt, um einem
Abgeschnittenwerden von der weiteren Entwicklung entgeegenzuwirken
und zugleich die Chancen und den Nutzen der neuen
Informationsversorgung auch fuer Blinde und Sehbehinderte wirksam
umzusetzen.



Aufgaben:


Entsprechend dieser Zielsetzung ergibt sich eine Vielzahl im
einzelnen noch weiter auszufuehrender und zu konkretisierender
Aufgaben, zu denen u.a. die folgenden gehoeren:


(1)  Web-Seite

Das Blindenmedienzentrum sollte mit einer eigenen Web-Seite im
Internet vertreten sein, die zwar auch Bilder und Graphiken
enthaelt, gleichzeitig aber so gestaltet ist, dass sie keine
Zugangsbarrieren fuer Blinde und Sehbehinderte aufweist. Dies sollte
realisiert werden, indem sich saemtliche Eingaben nicht nur ueber
Mausklick, sondern auch ueber die Tastatur taetigen lassen. Die
graphischen Links (Verweise) muessten mit einem kurzen beschreibenden
Text unterlegt werden. Als Alternative koennte fuer jeden Nutzer die
Moeglichkeit bestehen, zwischen einer graphisch orientierten und einer
reinen Textfassung einer solchen Internet-Seite zu waehlen. Eine solche
Web-Seite haette nicht nur zur Aufgabe, ueber die Angebote der
Medienzentrale fuer Blinde und Sehbehinderte zu informieren, sondern
zugleich exemplarisch aufzuzeigen, wie eine Homepage blindengerecht
gestaltet werden kann.


(2) Vermittler zwischen Anwendern und Anbietern

Die Medienzentrale sollte anderen Anbietern im Internet, die ihre
Internet-Seiten ebenfalls sogestalten moechten, dass sie auch fuer Blinde
und Sehbehinderte ohne besondere Muehen zugaenglich sind, durch
Information sowie durch Rat und Tat zur Seite stehen. Weiterhin
muesste eine solche Einrichtung auch von sich aus Anbieter im Internet,
die fuer Blinde wichtige oder nuetzliche Informationen bereit halten,
ansprechen und davon zu ueberzeugen suchen, ihre Web-Seiten ebenfalls
blinden- und sehbehindertengerecht zu gestalten. Dies kann nur
geschehen, wenn das Zentrum intensive Kontakte zu betroffenen
Anwendern aufbaut und pflegt, so dass es eine Anlaufstelle fuer
sehbehinderte und blinde Anwender darstellt, die auf ihren Reisen
durch den Datendschungel auf potentiell interessante, aber nicht
nutzbare Informationsquellen stossen. Die Aufbereitung dieser Daten
kann dann durch das Medienzentrum in Zusammenarbeit mit den
entsprechenden Anbietern erfolgen.

(3) Blinden- und sehbehindertengerechte Aufbereitung von Daten

Zudem soll eine solche Medienzentrale selbst eine Fuelle von
wichtigen und nuetzlichen Informationen fuer Blinde und sehbehinderte
zusammenstellen. Hierbei sollen nicht ausschliesslich Informationen aus
dem Internet ausgewertet, sondern auch von anderen elektronischen
Datentraegern stammdende Informationen beruechsichtigt werden (CDROM).


(4)  Elektronische Bibliothek

Zu dem Informationsangebot gehoert dann auch eine staendig zu
erweiternde Bibliothek. In einer solchen Bibliothek stehen
elektronische Buecher, Tageszeitungen, Lexika, Nachschlagewerke und
andere wichtige Informationstraeger (DB-Fahrplan, ...). CDROM's die z.
B. fuer viele unerschwinglich sind, koennten in der Bibliothek online
angeboten werden, so dass man sie ueber's Internet einsehen kann
(Lexika, berufsspezifische Fachliteratur ...). Gegebenenfalls waere
daran zu denken, etwa aus urheberrechtlichen Gruenden bestimmte Teile
der Bibliothek nur Blinden und Sehbehinderten zugaenglich zu machen und
fuer solche elektronischen Informationen, die nicht kostenfrei
zugaenglich sind, einen entsprechenden Abrechnungsmodus vorzusehen.


(5)  Einscann-Dienst

Denkbar ist darueber hinaus auch, dass eine solche Medienzentrale
einen eigenen Einscann-Service aehnlich etwa zu den bereits
vorhandenen Aufsprachediensten, anbietet und dann einmal
eingescannte Texte nach sorgfaeltigem Korrekturlesen auf Nachfrage auch
anderen interessierten Nutzern zur Verfuegung stellt. Ebenso denkbar
waere es, bei einer Zugangsbeschraenkung auf Blinde und Sehbehinderte
Leser entsprechende Vorlagen, anstatt sie einzuscannen, direkt bei den
Verlagen, etc. zu erfragen (wird andernorts, teilweise,
schon praktiziert).


(6)  Beratung bei der Entwicklung blindenfreundlicher PC-Programme
sowie Eigententwicklung von Software

Aufgabe eines solchen Medienzentrums koennte es darueber hinaus
sein, Standards fuer blinden- und sehbehindertenfreundliche
Software (Betriebssysteme, Textverarbeitungsprogramme,
elektronische Lexika, Nachschlagewerke, Fachliteratur, ...) zu
entwickeln und die Hersteller solcher Programme bei der blinden-
und sehbehindertengerechten Entwicklung und Ausgestaltung zu beraten
oder von sich aus an Hersteller heranzutreten und um eine
dementsprechende Weiterentwicklung solcher Programme nachzusuchen.
Vorstellbar waere  auch, dass eine solche Medienzentrale Vorabversionen
zukuenftiger Programme zu diesem Zweck testet.
   Momentan gibt es nicht genug geeignete Internet Browser Software
fuer Blinde und Sehbehinderte. Falls sich dies in naechster Zeit nicht
aendert, ist die Entwiclung eines sochen Browsers durch das
Medienzentrum anzustreben.


(7)  Vergleichende Praxistests von computerbezogenen Hilfsmitteln
 
Darueber hinaus erscheint es sinnvoll, auch computerbezogene
Hilfsmittel, wie Software fuer Braillezeilen, Sprachausgaben oder
Grossschriftsysteme vergleichenden Tests zu unterziehen, in ihren
Vor- und Nachteilen zu beschreiben und in ihrem Zusammenspiel mit
Betriebssystem, Internet-Browsern und elektronischen Medien
(Lexika, Buecher, ...) zu untersuchen.
Derartige vergleichende Praxistests wuerden nicht nur eine
sachkundigere Auswahl bei der Anschaffung einzelner Hilfsmittel
ermoeglichen, sondern auch einen groesseren Druck auf eine
bedarfsgerechte Weiterentwicklung derartiger Systeme ausueben.
 
 
(8)  Durchfuehrung von Schulungen
 
Ausserdem koennte es die Aufgabe eines solchen Medienzentrums sein,
entsprechende Schulungen, die u.a. als Bildungsurlaub finanziert
werden koennten, anzubieten, bei denen etwa der Umgang mit der zur
Nutzung der elektronischen Medien erforderlichen Software sowie das
Zusammenspiel mit dem Blindenhilfsmittel erlernt werden koennte.
 
 
(9)  Hotline

Zusaetzlich koennte Das Zentrum eine Hotline unterhalten, unter der bei
Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung der elektronischen Medien
Fachleute angesprochen werden koennten.


(10) Sonstiges

Schaffung eines oeffentlichen Bewusstseins fuer die Tatsache, dass es
ueberhaupt blinde und sehbehinderte PC-Anwender gibt und was ihre
Anliegen sind.
Hinwirken auf eine Gesetzesinitiative, um Behoerden, Verwaltung,
Gerichte und andere staatliche Einrichtungen dazu zu verpflichten,
mit dem Medienzentrum zusammenzuarbeiten und ihre
Veroeffentlichungen blinden- und sehbehindertengerecht
aufzubereiten.
Sammlung und Aktualisierung von Internet-Adressverzeichnissen zu
diversen Themen, Info-Dienst, ...



Organisation und Finanzierung:

Moeglichkeiten:

- Finanzierung aus Bundes- und Lamdesmitteln sowie durch Beitraege der
Blindenselbsthilfeorganisationen.

- Stiftung des oeffentlichen Rechts
 
- Gleichgestellte Organisation neben den Blindenbuechereien
 
- Neugruendung aus der Blindenselbsthilfe
 
 
Je nach Traegerschaft duerften sich dabei unterschiedliche
Anforderungen an die Finanzierung und damit auch an den Umfang der
Aufgaben stellen.
Neben dem notwendigen Erfordernis staatlicher Mittel kommen dabei
auch Spenden sowie von den Nutzern zu entrichtende Entgelte fuer
einzelne Service-Leistungen in Betracht.
 
 
 
Resuemee:
 
Unser Fazit lautet daher:
Wir brauchen eine bundesweite Medienzentrale fuer Blinde und
Sehbehinderte!
 
Dieser Vorschlag bedarf einer breiten Diskussion. Ueber Kritik,
Vorschlaege, etc. wuerden wir uns freuen.