[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Definition




Hallo Bianca, hallo Leute,

leider kenne ich auch keine genauere Definition als alle, die
hier bereits zum Thema geschrieben haben. Was Ihr beiden - Wulf und
Diter - geschrieben habt, erinnerte mich an eigene Erlebnisse und
einige Schulfunksendungen:

Vor einer Reihe von Jahren gab es zum Thema "wie lernt der Mensch" 
eine Schulfunksendereihe u.a. im NDR. Das Manuskript ist von einem 
Gehirnforscher Frederick Vester gewesen. In den Sendungen wurde ausfuehrlich
darueber berichtet, dass das Gehirn bereits nach den ersten Lebenswochen
aufhoert zu wachsen. In dieser Zeit bildet sich das Gehirngrundmuster
anhand der eigenen Sinneswahrnehmungen (hoeren, sehen, fuehlen, 
schmecken etc.) aus. Damit werden fuer die Art, wie wir spaeter einmal
lernen, nur schwer oder garnicht mehr veraenderbare Fakten geschaffen.
Genau aus diesem Grund gibt es z.B. Lerntypen, die eher durch Zuhoeren und
andere, die durch sehen lernen. Auch ich bezweifle deshalb, dass
es moeglich ist, Netzhautimplantate bei Geburtsblinden sinnvoll einzusetzen.
Aber die Forschung steht hier wohl noch ganz am Anfang.

Nun noch etwas weniger theoretisches:

Ich selbst erblindete, als ich 9 Jahre alt war, kann mich also noch recht
gut an Gesehenes erinnern; inzwischen bin ich 29 Jahre. Auch jetzt
noch kommt es offenbar vor, dass mein Sehzentrum arbeitet, ohne dass ich etwas
davon direkt mitbekomme. Wenn ich traeume, sehe ich z.B. ab und an noch,
was um mich her geschieht. Es kommt sogar vor, dass ich etwa Vorlesungssaele
an der Uni Hamburg, wo ich seit 1990 studiere, im Traum sehe, obwohl ich 
sie auf keinen Fall im realen Leben gesehen haben kann. Wahrscheinlich
entspricht das Traumbild, das ich vor meinen Augen sehe, nicht der
Wirklichkeit, und die Hoersaele sehen ganz anders aus. Aber merkwuerdig
ist es doch!

Als ich in der Schule Kunstunterricht hatte, hatten wir einen Lehrer,
der ganz ungeniert mit uns (blinden und Sehbehinderten) ueber Farben
sprach. Alles fing damit an, dass wir sagen sollten, was uns zu einer 
bestimmten Farbe einfiel. Auffallend war, dass uns allen etwas einfiel -
unabhaengig davon -, ob wir frueher gesehen hatten oder nicht, und ob
wir sehbehindert oder blind waren. Auch ob wir spaet- oder geburtsblind
waren, spielte keine Rolle. Das zeigt, dass unsere eigene Sprache 
Bruecken bauen kann, und dass es bei der Wahrnehmung von Farben nicht nur
auf die optische Warnehmung farbiger Lichtwellen ankommt. Was wir
mit eigenen Wahrnehmungen verbinden, kann manchmal entscheidender sein als 
die Wahrnehmung selbst.

So, ich hoffe, das war nicht zu verwirrend.

Viele Gruesse

Jens-Uwe