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Hal 95 vs. JFW 3.2



Hallo Leute,

vor ein paar Tagen habe ich mir die aktuelle Demo-Version von Hal 95 (3.02)
von Rene Ludwigs Homepage downgeloadet. Ich habe es hier auf meinem Rechner
(166-MHz AMD, 32 Mbyte RAM, Windows 98) im Vergleich zu meinem
"Stammscreenreader" JFW 3.2 getestet.

Hier eine kurze Zusammenfassung meiner Erfahrungen:

Hal 95 unterstuetzt den bei  mir vorhandenen Apollo Serie 2 Synthesizer.
Dafuer verwendet es einen eigenen Treiber (SAM). Dieser konnte auch meine
schon recht betagte Braillezeile KTS Brailloterm 80 ansteuern. So hatte ich
Braille- und Sprachsupport wie unter JFW. Dabei ist die Steuerung des
Apollo-Hardware-Synthesizers durch den SAM Treiber sehr akkurat und schnell.
Dieser ist sowohl dem SSIL-Treiber wie auch dem Jaws eigenem Treiber
(Dolphin.jls)  eindeutig ueberlegen. Dies macht sich z.B. in der sehr
fluessigen Sprachsteuerung im Vorlesemodus von Hal 95 bemerkbar. Auch nach
langen Passagen stoppt der Synthesizer aufs Wort genau. Bei JFW gibt es hier
sowohl mit SSIL wie auch mit dem JFW-eigenen Treiber bei laengeren Texten
asynchronitaeten. Das SAM-Interface findet die ihm bekannte Hardware, also
Apollo und auch die KTS-zeile automatisch.

Es wird auch ein Dolphin Software-Synthesizer mitgeliefert (Orpheus),
allerdings kann der in der Demo-Version nur englisch. (kein "Rausreisser",
klingt wie das Apolllo-E-Prom ueber eine Soundkarte abgespielt).  M.W. muss
man deutsche und andere Sprachen fuer den Orpheus extra bestellen und
loehnen - also kein kostenloser "multilanguage-Support" wie bei der Eloquence
fuer JFW. Ebenfalls keinen Multilanguage-Support gibt es bei der
Hal-Oberflaeche: diese ist eben englisch und bleibt es. Wer also im
"Control-Panel" Hal konfigurieren will, muss schon englisch koennen.

In der Hilfe zu Hal 95 wird darauf hingewiesen, dass man fuer die
Bildschirmanalyse  auf eine Art "Mustererkennung" zurueckgreift. Dies ist ein
wesentlicher Unterschied zu der Arbeitsweise z.B. von Jaws, dass sich auf die
Eigenschaften von Objekten in der Windows-Hierarchie bezieht. Diese
unterschiedlichen Herangehensweisen sind es wohl auch, die zu den teilweise
sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen beider Screenreader in gleicher
Umgebung fuehren.

Zuerst: wer meint, man koenne unter Win 95/98 2 Screenreader in "fliegendem
Wechsel" nutzen, wird enttaeuscht: Waehrend es JFW egal ist, ob vor seinem
hochfahren ein anderer Screenreader aktiv war, reagiert Hal 95 hier
sensibel: es werden nicht mehr alle Elemente auf dem Bildschirm gefunden -
so wird der "Start"-Schalter zwar als "button" erkannt, aber das label
"Start" wird nicht mehr gefunden. Auch wird der Zustand von Schaltern,
Auswahlschaltern, Menuepunkten (nicht verfuegbar) nicht mehr erkannt. Man muss
den Rechner neu starten und dann Hal als ersten Screenreader laden - nur
dann erkennt er alle Bildschirmelemente richtig. Dabei ist - im Gegensatz zu
vorhergehenden Versionen - die Bildschirmaufloesung unkritisch, es geht
sowohl mit 640 x 480 Pixels als auch mit hoeheren Aufloesungen. Allerdings
darf man das waehrend des Arbeitens mit Hal nicht umschalten - dann verliert
er voellig die Orientierung und laesst sich auch durch neustart des
Screenreaders oder Bildschirmrefresh nicht wieder "ins reine" bringen: der
Rechner darf wieder hochgefahren werden. Auch hier ist JFW wesentlich
stabiler: Wechsel der Bildschirmaufloesung waehrend des Betriebs werden i.d.R.
"geschluckt", ggf. macht ein Neustart des Screenreaders - nicht des PCs -
alles wieder gut.

Wird Haal 95 unter optimalen Bedingungen gestartet, werden die Elemente der
Windows-Oberflaeche gut erkannt, auch der Start-Schalter und die Taskleiste
und die Elemente darauf. Ebenso werden die hervorgehobenen Eintraege auf dem
Desktop erkannt - bei Win 98 allerdings erst, nachdem man mit der
Tabulatortaste einmal alle Eintraege - Arbeitsoberflaeche, Startschalter,
Taskleiste und wieder Arbeitsoberflaeche - "durchglaufen" ist - anscheinend
kann sich Hal - genau wie JFW - erst dann auf das hervorgehobene Element auf
der Arbeitsoberflaeche "einschiessen". Dies Verhalten scheint also eher ein
Problem der Win 98 oberflaechendarstellung direkt nach Start des Rechners zu
sein als Screenreaderabhaengig.

Eintraege in Dateiverzeichnissen des Explorers werden gut erkannt. Bei
menueleisten kann es in verschiedenen Anwendungen dazu kommen, dass der
"Datei"-Kopfeintrag nach Druecken der Alt-Taste nicht erkannt wird, erst,
wenn man mit Cursor-down das Datei-Menue oeffnet oder mit Cursor-rechts die
Menueleiste horizontal weiterlaeuft - dann kommt meist "Bearbeiten" als
Menuekopfeintrag - reagiert Hal 95 und erkennt, dass man sich in der
menueleiste bzw. im "Datei"-Menue befindet.  M.W. war JFW 2.0 die letzte
Version, bei der dieser Fehler ebenfalls auftrat - seitdem ist mir das nicht
mehr begegnet.

Die Darstellung von Hal 95 ist sparsam - so werden z.B bei Listeneintraegen
nicht die Stellung des angewaehlten Eintrages im Verhaeltnis zur Anzahl der
Gesamteintraege gesprochen). Hinweise wie "ausgewaehlt" vor einem Dateinamen
fehlen ebenfalls. Die Moeglichkeit, bestimmte Informationen wie den
"vorgewaehlten" Schalter eines Dialoges (Einfg.-E bei JFW) abzufragen,
bestehen nicht.

Die Bedienung von Hal 95 erfolgt ueber den Ziffernblock und in Kombination
mit den Tasten Control-links und Shift-links. Ausserdem sind - als echter
Vorteil zu Jaws - wichtige Sprachparameter ueber Hotkeys direkt aus jeder
Anwendung zu erreichen, ohne in das fuer die Hal-Konfiguration vorgesehene
"Control-Panel" umzuschalten. So lassen sich Tonhoehe, Geschwindigkeit,
lautstaerke und Sprache des Synthesizers direkt ueber hotkeys ansteuern - bei
JFW muesste man hierzu immer erst aus der aktuellen Anwendung in das
Jaws-Fenster wechseln. Allerdings sind einige dieser Einstellungen - so z.B.
die Sprachumschaltung - nur fuer Synthesizer zugaenglich, die ueber das
SAM-Interface gesteuert werden und nicht, wenn man das auch moegliche
SSIL-Interface benutzt.

Das Hal-95-Konzept der Mustererkennung auf dem Bildschirm macht sich bei
Programmen positiv bemerkbar, deren Bildschirmdarstellung sich nicht an die
Windows-Konventionen haelt. So konnte ich unter Hal 95 auf Anhieb mit einem
Programm (Editpad, ein Notepad-Ersatz) arbeiten. Fuer JFW musste ich hier erst
alle moeglichen Elemente durch Fensterklassen-mapping fuer Jaws "erkennbar"
machen, bevor das Programm gut funktionierte. (TRicherEdit=Edit usw.)

In Winword werden die Standard-Situationen von Hal 95 gut erfasst. Auch das
Menue und die Registerkarten im "Extras-Optionen"-Menue werden gut erkannt.
Schwierig wird es mit der Rechtschreibhilfe: hier kommt man nur nach
Cursorbewegung auf das beanstandete Wort - und hat damit schon fuer Winword
eine "Aenderung" vorgenommen. Eine automatische Ansage bzw. ein
Buchstabieren, wie das das JFW-Makro fuer diesen Teil von Winword ermoeglicht,
ist hier nicht vorgesehen.

Zwar existiert ein "Navigation-Mode", in dem man sich mit einem Lesecursor
frei auf dem Schirm bewegen kann. von dort aus koennen auch mausklicks
ausgefuehrt werden. Diesen "Navigation-Mode" braucht man bei Hal 95  aber
wesentlich oefters als den Jaws-Cursor, der etwa die gleiche Funktionalitaet
bietet bei Jaws. Hier macht sich bemerkbar, dass Hal 95 eben mit allen
Programmen zufriedenstellend laufen kann, aber nicht speziell auf bestimmte
Anwendungen anpassbar ist. Es lassen sich zwar eine Art "Parameterdateien"
wegspeichern, aber diese koennen nur Funktionen aufnehmen, die ueber das
"Configuration-Panel" von Hal 95 erreichbar sind. Mit der Maechtigkeit der
Scriptsprache von JFW kann dies in keinster Hinsicht konkurrieren - es
entspricht allenfalls den Aenderungsmoeglichkeiten, die in JFWs
"Konfiguration-Manager" moeglich sind.

Nimmt man die Moeglichkeiten, die JFW durch die Einbeziehung von MSAA und
andere Funktionen z.B. in Word oder dem internet-Explorer bietet hinzu, dann
steht Hal "hilflos" daneben. Weder koennen Toolbars direkt angesprungen
werden, noch Internetseiten reformatiert werden. So liess sich eine
mehrspaltig ausgefuehrte Internetseite mit Hal 95 zwar erkennen, aber nicht
mehr "folgerichtig" lesen.

Stoerend ist in Word und noch auffaelliger in Excel die Unzuverlaessigkeit von
Hal 95. Besonders in Excell werden teilweise Eintraege in Zellen nicht
erkannt und einfach "blank" gelesen. Dies war z.B. in der ersten Zeile einer
Tabelle unterhalb einer Kopfzeile mit "Headereintraegen" der Fall - JFW 3.2
hatte hier keine Probleme. Auch in Word muss man bei Hal 95 oefter mal den
"Refresh-Button" druecken - aber das kommt auch in JFW gelegentlich vor.

Was Hal 95 leider nicht kann, ist allen markierten Text auf dem Schirm
vorlesen (JFW-Funktion Einfg-Shift-Cursor-down) So kann man vor dem kopieren
oder loeschen schnellnochmal kontrollieren, welchen Text oder welche Elemente
man markiert hat.

Was generell schlecht ist, ist der Braillezeilensupport von Hal 95. So
werden z.B. in Excell immer nur der Inhalt der gerade gesprochenen Zelle
angezeigt - nicht die links oder rechts danebenliegenden. Gleiches gilt fuer
die Dateinamen in einer Dateiuebersicht - wer Groesse oder Erstellungsdatum
lesen will, kann das nur ueber die Sprache tun oder muss in den
"Navigation-Mode" gehen - dann zeigt die Braillezeile auch dieses an. In
Winword und Excell werden am linken Rand der Zeile auch ein Teil der
Menueleiste angezeigt - wer nach dem Textanfang oder der ersten Zelle
fingert, muss dann schon recht weit nach rechts greifen oder wieder in den
"Navigation-Mode" schalten. Und dann kam es - man kann per Hotkey die
Sprache stummschalten - und  da war dann auch die Zeile weg und kam auch
nach dem wiederanschalten der Sprache nicht wieder, Screenreader neu starten
hiess es.

Fazit

Hal 95 ist schnell - schneller als JFW in den meisten vergleichbaren
Situationen. Dafuer ist der Screen-output i.d.R. duerftiger- insbesondere ein
"Neuling" wird wesentlich weniger unterstuetzt als bei JFW. Hal steuert ueber
das SAM-Interface den Synthesizer genauer als JFW ueber SSIL oder die eigene
.jls-Datei. Hal hat weniger Hotkeys als JFW und ist fuer Anfaenger leichter zu
bedienen. Grosser Vorteil: Sprachparameter lassen sich aus allen Anwwendungen
ohne Wechsel in Hals "Control-Panel" ueber Hotkeys aendern.

Hal 95 hat Vorzuege, wenn Programme benutzt werden sollen, die sich in der
Bildschirmausgabe so unorthodox verhalten, dass sie auch vom "Default"-Script
von JFW nicht mehr erfasst werden.

Sobald dies oder gar Anwendungsspezifische Anpassungen von JFW greifen oder
MSAA u.ae. ins Spiel kommen, kommt Hal 95 sofort ins Hintertreffen. Hal 95
ist kritischer, was Bildschirmaenderungen angeht (Aufloesung, anderer
Screenreader vorher) und in der Anzeige teilweise unzuverlaessig
(menueleisten, Excell). Der Braillezeilensupport ist duerftig und mehr ein
"Wiederkaeuen" der Sprachausgabe als eine echte Braillezeilendarstellung.
Hals Konfigurationsmoeglichkeiten bleiben hinter denen von Jaws weit zurueck.
Hal hat fuer seine Oberflaeche und Prompts keinen Mehrsprachen-Support.

Und fuer die "unverbesserlichen": Hal 95 hat keinen Dosbox-Support - hier
wird auf die Moeglichkeit verwiesen, einen vorhandenen Dos-Screenreader zu
nutzen.

Alles in allem kann Hal 95 ein guter "Nothelfer" sein, wenn ein
Bildschirm-Output mal so "verquer" ist, dass JFW ohne Anpassung nichts
erkennt - ansonsten kann es m.E. mit JFW nicht konkurrieren.

Gruss Andreas


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