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Re: aus Encata 98



Hallo Christian, hallo Fblinus!

Am 11.02.00 schrieb Christian Gerhardt:

> So wie ich mir das vorstelle, hinterlaesst der Steingriffel Erhoehungen
> (Punkte) auf der Tafel, die ich dan wiederum taktil wahrnehmen kann.

Oh, da haben wir uns wohl doch etwas zu gruendlich vertafelt mit unserer
Ironie! Sorry, Christian, fuer das Missverstaendnis kannst du ganz
bestimmt nichts. Hier ein paar klaerende Worte:

Die Schiefertafel und der Schiefer- oder auch Metallgriffel dienen zum
Schreiben von _Schwarzschrift_. Schiefer ist ein weiches, leicht
zerbrechliches Gestein, das man sich etwa wie Blaetterteig vorstellen
kann. Es kommt nicht in kompakter Felsenform vor wie z.B. der Granit,
sondern in mehr oder weniger duennen Schichten. Darum verwendet man
Schieferplatten auch manchmal als Dachziegel. Das Material ist zwar
recht wetterbestaendig, aber sehr sproede und leicht zerbrechlich
(Gerd Heimann hat schon Recht, dass es keinen Meissel vertraegt). 

Aber zurueck zur Schiefertafel: Sie ist eine rechteckige Schieferplatte,
die zur Stabilisierung in einen Holzrahmen eingefasst ist. Ihre
Oberflaeche, in die man haeufig Linien oder Kaestchen eingraviert hat, ist
schwarz oder jedenfalls ziemlich dunkel. Faehrt man mit einem spitzen
Griffel aus weichem Gestein darueber, so hinterlaesst der Abrieb eine
etwas hellere Spur. So kann man also "Schwarzschrift" auf der Tafel
schreiben, aber in Wirklichkeit ist es eher "Hellschrift". Praktisch ist
das Verfahren deshalb, weil man die Schrift mit einem feuchten Schwamm
wieder wegwischen kann und dann die sprichwoertliche "tabula rasa"
bekommt. Die ABC-Schuetzen konnten also jede Menge schriftliche Uebungen
machen, ohne teures Papier zu verbrauchen.

Fuer die Brailleschrift gibt es Schreibgeraete, die von ihrem Aussehen her
tatsaechlich etwas an Schiefertafeln erinnern und deshalb auch "Tafeln"
genannt werden. Ich denke, ihr kennt sie alle, ich brauche sie hier nicht
naeher zu beschreiben. Der grosse Unterschied zur Schiefertafel ist, dass
mit der Blindentafel auf Papier geschrieben wird, die Schrift also nicht
irgendwie auf der Tafel stehen bleibt. Und eine solche Tafel ausgerechnet
aus Schiefer herstellen zu wollen, waere geradezu grotesk. Zu meiner
Schulzeit benutzte man Metalltafeln, inzwischen haben sich
Kunststofftafeln weitgehend durchgesetzt. Ich benutze uebrigens heute noch
gern die Tafel, denn man kann sie bequem in der Jackentasche unterbringen,
was mit einer Punktschriftmaschine oder einem Brailledrucker eben doch
nicht ganz so einfach ist.

Damit konnte ich hoffentlich das entstandene Missverstaendnis ausraeumen.

Viele Gruesse,
Eberhard

-- 
Dr. Eberhard Hahn
Universitaet Tuebingen                                  Tel. +49 7071 29-70307
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