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Re: Punktschrift auf der PC-Tastatur (was: Kurzschrift)



Hallo Ruediger, hallo alle!

On Tue, 12 May 1998, leidner wrote:

> Noch besser wäre es natürlich, wenn die Kurzschrift nicht über die
> Standard-Tastatur eingegeben werden müßte, sondern auch eine
> Braille-Tastatur (Braille-Lite, David) verwendet werden könnte. Und dann am
> besten auch noch für Windows. Ich habe z.B. ein Windows-Programm, durch das
> die Standard-Tastatur so umgeschaltet wird, daß über die Tasten der
> "Grundstellung (a-ö) 8-Punkte-Braille geschrieben werden kann.

Fuer diese Tastaturtreiber habe ich eine grosse Vorliebe, und natuerlich
benutze ich auch einen, der aber nur unter DOS laeuft. In Windows mache
ich gerade meine ersten Gehversuche und habe mich deshalb noch nicht mit
der Frage beschaeftigt, ob da auch schon entsprechende Treiber zu bekomme
n
sind, oder wie man einen programmieren koennte. 

Falls es jemand interessiert, hier ein paar Stichworte zur Technik, die
dahinter steckt: Beim Anschlagen einer Computertaste wird ein Byte zum
Rechner geschickt, dessen Bitkombination ("scan code") gewissermassen die
Tastennummer repraesentiert (Achtung! das ist noch nicht das entsprechend
e
ASCII-Zeichen). Wird die Taste losgelassen, so schickt die Tastatur
nochmals denselben Code ueber die Leitung, jedoch wird jetzt 128 (das
oberste Bit) aufaddiert. Das "a" hat z.B. den scan code 30, also wird bei
m
Anschlagen von "a" die Zahl 30, beim Loslassen die Zahl 158 zum Rechner
geschickt. Schreibt man nun "A", so schlaegt man zunaechst - sagen wir -
die rechte Umschalttaste an, die den scan code 54 liefert. Noch ehe man
diese Taste loslaesst (und damit den Code 182 generiert), drueckt man auf
"a" und schickt somit dem Tastaturtreiber eine 30. Dieses im Hintergrund
ablaufende Programm erkennt nun, dass es an das Anwendungsprogramm nicht
das kleine, sondern das grosse A abzuliefern hat. 

Normalerweise werden nur ganz bestimmte Tastenkombinationen als "legal" 
angesehen, etwa Shift, Control oder Alt mit irgendetwas anderem. Schlaegt
man dagegen zwei Buchstaben "gleichzeitig" an, so bekommt man zwar diese
Buchstaben, aber in zufaelliger Reihenfolge. Der Tastaturtreiber
interessiert sich in diesem Falle nicht fuer die "up codes", sondern
wertet die "down codes" unmittelbar in der Reihenfolge aus, in der sie ih
m
angeboten werden. Ein Treiber, der eine Punktschrifttastatur simuliert, 
sammelt hingegen alle down codes der angeschlagenen Tasten und wertet die
 
Kombination erst dann aus, wenn er alle zugehoerigen up codes beisammen 
hat, also alle Tasten wieder losgelassen worden sind.

Eigentlich ganz einfach, aber ... Die Crux bei diesen Dingern ist, dass
viele Standard-Tastaturen (und gerade die neueren) nicht mitspielen. Wenn
da zu viele Tasten gleichzeitig angeschlagen werden, werden die einzelnen
Codes nicht durchgereicht; vielmehr wird ein Fehlercode abgeliefert, der
dann von den Computerprogrammen ueblicherweise ignoriert wird (faktisch
kommt also ueberhaupt nichts an). Will man einen "punktschriftfaehigen" 
Tastaturtreiber einsetzen, so muss man sich moeglicherweise eine andere 
Tastatur zulegen, und der Haendler kann einem da kaum helfen, denn man 
erwartet ja von dem Geraet eine "inoffizielle" Leistung, die nirgends 
dokumentiert ist. Am besten schliesst man die Tastatur an einen Rechner 
an und schlaegt asdfjklö gemeinsam an. Kommen diese Buchstaben wirklich 
alle zum Vorschein (die Reihenfolge ist beliebig), so hat man mit 
ziemlicher Sicherheit eine "punktschrifttaugliche" Tastatur gefunden. 

Ich faende es gar nicht schlecht, wenn handelsuebliche Tastaturen einmal
systematisch auf diese Faehigkeit hin untersucht wuerden. Die Vorteile
des Simulationsverfahrens sind naemlich offenkundig: Auf einer reinen 
8-Punkte-Tastatur schreibt man erfahrungsgemaess langsamer und macht mehr
 
Fehler. Gibt man andererseits Kurzschrift, Musiknoten oder sonstige 
spezielle Punktschriftzeichen ueber die Standard-Tastatur ein, so wird 
das Gehirn ueber Gebuehr mit Umcodierungsarbeiten belastet. Hersteller 
empfehlen - wie koennte es anders sein -, sich dann eben beide Tastaturen
 
auf den Schreibtisch zu stellen, was natuerlich weder ergo- noch 
oekonomisch ist. Bleibt eben die Simulation einer Punktschrifttastatur 
auf den normalen Computertasten, die bei Bedarf aktiviert bzw. 
deaktiviert werden kann.

So, das war jetzt ein gutes Stueck Theorie, nehmt's mit bitte nicht 
uebel, aber ich finde es reizvoll, auch einmal dieses Thema anzureissen.

Viele Gruesse,
Eberhard