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Re: Blindengerechtigkeit versus Rollstuhlgerechtigkeit
- Subject: Re: Blindengerechtigkeit versus Rollstuhlgerechtigkeit
- From: Lutz.boh_bEi_t-online.de (Lutz Mueller-Bohlen)
- Date: Wed, 11 Aug 1999 16:03:22 +0200
Andreas Donau schrieb:
Hey Andreas,
dies sollte in keinem Fall !!!! ein Konkurrenzdenken schueren, sondern nur
deutlich machen, was mit einer starken Lobby moeglich ist. Selbstredend haben
auch Rollstuhlfahrer massive Probleme, ebenso wie Kleinwuechsige etc. Da ich
berufsmaessig mit allen moeglichen Behinderungsformen zu tun habe, wird man mir
hier auch nicht Lobbiismus nachsagen koennen. Es ging mir, wenn Du meine Zeilen
genau liest, um Behindertengerechtigkeit. Dabei ist es durchaus das Problem von
Rollis, ihre Probleme deutlich zu vertreten ebenso wie der
Blinden/Sehbehinderten usw. Die Crux, auch dies war mein Anliegen, dass - um bei
Deinem Beispiel zu bleiben - Rolliverbaende die HVB oder HVV nicht quer ueber den
Tisch ziehen oder, wenn die behoerdliche Kommunikation dauerhaft gestoert ist,
einfach mal im Convoy die Strassen abfahren.
Mit ging es nur darum, dass die Begrifflichkeit "Behindertengerecht" sich in
erster Linie an Rollstuhlfahrern orientiert. Aemter und Behoerden meinen, es sei
damit getan, ein Gebaeude rollstuhlgerecht zu machen. Kein Behoerdenmensch macht
sich Gedanken darueber, ob ein Blinder einen Bescheid lesen kann oder nicht. Dies
ist noch nicht mal boese Absicht. Deshalb muss es ihnen gesagt werden, und zwar
laut und deutlich und mit langem Atem.
Ich habe den "Luxus" genossen, waehrend meiner urspuenglichen Ausbildung etwas
ueber Blinde zu lernen, und zwar, wenn man ihnen das Essen bringt, dass das
Fleisch z.B. bei drei Uhr und die Kartoffeln bei sieben Uhr liegen. So etwas
wird in der Krankenpflegeausbildung gelehrt, uebrigens immer noch bei der
Altenpflegeausbildung. Dies ist dann inhaltlich schon fast alles. Mein blinder
Sohn und ich lachen uns inzwischen schlapp darueber, dass das Fleisch zwischen
achtzehnuhrzweiundzwanzig und fuenfnachhalbneun liegt. Ich hoffe nicht, dass dies
bei Euche einen Sturm der Entruestung nach sich zieht.
Den Behindertenfuehrer des Landkreises Stade gibt es nicht in Braille; auf weit
ueber hundert Seiten laesst man sich darueber aus, welche Gebaeude und Geschaefte
"Rollstuhlgerecht" sind und wo zu hohe Fussleisten sind, ABER nur im Anhang wird
auf eine Anschrift einer Blindengruppe verwiesen. Dies finde ich, mit Verlaub,
...
mfg
Lutz Mueller-Bohlen