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Reha 97- was mir so begegnet ist



Hallo zusammen,

ergaenzend zu Michaelas schoenem Messebericht moechte ich noch ueber
einige
Eindruecke bzw. Produkte berichten, die mir waehrend der Duesseldorfer
Tage begegnet sind. Es sei noch bemerkt, dass die nachfolgenden
Ausfuehrungen meiner rein subjektiven Einschaetzung entsprechen.

Ich  war auf der Reha, und zwar als Mitarbeiter der SBA
- und das vier Tage lang. Die SBA war ausstellerseitig Gast des
Gemeinschaftsstandes der Firmen Handitech, Caretec Deutschland und Omni
Pc. Da ich der einzige blinde Mitarbeiter der SBA bin, konnte ich
waehrend der Messetage nicht so ohne weiteres vom Stand weggehen, um
mich mal woanders umzusehen. Dennoch sind mir zwei Entwicklungen
aufgefallen, die nicht unmittelbar in den Bereich PC-Hilfsmittel
fallen. Da kreuzte z. B. einen Tag vor Messebeginn waehrend des Aufbaus
der "Praesident" einer israelischen Firma meinen Weg, welche ein quasi
multifunktionales Organizer-System auf Sprach-Ein- und Ausgabe-basis
fuer private und berufliche Anwendung entwickelt hat. Herausgekommen ist
dabei ein auch ergonomisch sehr ansprechendes Geraetchen, welches solch
nuetzliche Features wie Diktiergeraet, Terminkalender, Tagebuch,
Telefonnummernregister, sprechende Zeit- und Stoppuhr etc. sinnvoll
zusammenfasst. Naehere Infos erhaltet Ihr uebrigens unter
HTTP://WWW.VOICEDIARY.COM. Der Knabe hat sich wirklich Muehe
gegeben,mir all die Moeglichkeiten des Voicediary, zu welchen uebrigens
auch die
gezielte Suche nach Adressen und Terminen via Spracheingabe gehoert,
nahezubringen. Als ich ihn nach seinen Preisvorstellungen fragte, bekam
ich zur Antwort, dass das Geraet in Israel um $100 zu haben sei.
Hinsichtlich des Vertriebs fuer - sagen wir - einen Teil des
deutschsprachigen Raumes haette er sich mit Caretec Oesterreich
verstaendigt. Und damit war fuer mich klar entschieden, dass ich,
wollte
ich an das Voicediary kommen, dieses auf keinen Fall bei Caretec
erwerben durfte, wollte ich mich und mein Haushaltsbutget nicht wegen
wahrscheinlich hoffnungslos ueberzogener Preisvorstellungen dieser
alpenrepublikanischen Hilfsmittelvertriebsklitsche in Verlegenheit
bringen. Ich habe mittlerweile eine E-Mail an die Israelis verbraten,
mit welcher ich mein eindeutiges Interesse an einem Direktkauf des
Voicediary beim Hersteller bekundet und um Angaben darueber gebeten
habe, ob eine Bezahlung via Kreditkarte moeglich ist. Das ist jetzt eine
Woche her und bisher habe ich noch keine Antwort von dort erhalten. Ich
hege den Verdacht, dass der Hersteller sich die Freiheit nimmt, alle
Anfragen von kunden aus dem deutschsprachigen Raum einfach an Caretec
weiterzurleiten, und wenn Caretec tatsaechlich deren Vertriebspartner
ist, waere das ja sogar vertragsgemaess. Nun kenne ich aber Caretec
schon
ziemlich lange. Da wird ein simpler Sperschwinger mit
Fotozellenregelung und Mini-Lautsprecher ganz schnell zum
Luxus-Blindenhilfsmittel. Okay, aber das soll jeder fuer sich
entscheiden.

Ein weiteres, jedenfals fuer mich sehr interessantes Novum ist die
kleine Firma "Marktluecke", deren Visitenkarte ich zwar auf der Messe
erhalten habe, diese aber momentan nicht finden kann. Hinter
"Marktluecke" steckt Herr Dipl.-Ing. Harald Hain, welcher, vermutlich
durch Seine Bekannte, Frau Rita Schroll inspieriert, einige
Anstrengungen Unternommen hat, die gute alte Blindenschrift vom Status
eines eher rein zweckmaessigen Schriftsystems auf einen jedenfalls
fuer
mich wirklich neuen Attraktivitaetslevel zu heben. Herausgekommen ist
dabei eine gekonnte Mischform aus der konventionellen
Brailleschrift-Darstellung, deutlich hiervon abweichenden, aber dennoch
sehr gut lesbaren verkleinerten Schriftanteilen sowie tastbaren
graphischen Elementen. Herr Hain erzielt dies nach eigenen Angaben mit
Hilfe eines selbst geschriebenen Computerprogramms, welches die
prinzipiell sehr guten Graphik-Druckeigenschaften des
Everest-Brailledruckers der Firma Index unmittelbar unterstuetzt. Die
verkleinerten und somit ebenfalls markanten Punktschriftzeichen werden
durch den Einsatz von Truetype-Braillefonts erzielt. Eines
der Ergebnisse hiervon, welches ich zu sehen bzw. zu fuehlen bekam, ist
z. B. das Heftchen "Streichholzspiele". Dort finden sich tastbare
Spielvorlagen und erklaerende oder auffordernde Texte in Braille. Will
man die so dargestellten Spiele nachvollziehen, bedarf es nur einiger
weniger Streichhoelzer. Ich weiss wohl, dass es solche
Streichholzspieleheftchen fuer Sehende schon lange gibt. Aber hat sich
denn vielleicht irgendwann mal eine der massgeblichen Brailledruckereien
in diesem unserem Lande ueber die Umsetzung solcher Vorlagen auch nur
fuer fuenf Pfennig Gedanken gemacht? Eindeutig nein. Phantasie ist dort
offenbar nicht gefragt, was vermutlich auch ein grund fuer die stark
ruecklaeufige Entwicklung von deren Umsaetzen sein duerfte. Ganz
anders bei
"Marktluecke". Schon alleine die tolle Verbindung zwischen Braille und
Graphik, die zumindest mich als ehemals Sehbehinderten unglaublich
anspricht, sagt mir, dass wir es hier wirklich mit einem ungewoehnlich
kreativen Firmchen zu tun haben, mit welchem man rechnen bzw. welches
man unbedingt unterstuetzen sollte. Rita, Du liest hier ja - glaube ich
- mit. Bitte
bitte gib doch nochmal die Adresse von "Marktluecke" durch, ja?

Wirkliche Neuheiten auf dem Sektor Hilfsmittel fuer Blinde und
Sehbehinderte gab es zur Reha 97 scheinbar tatsaechlich nicht.
Allerdings sind - aus meiner Sicht - einige Trends erkennbar. So gehoert
z. B. die Sprachausgabe Speak&Win der Firma Etex aus FfM eindeutig zu
den von den meisten Anbietern zu Recht favourisierten
Software-Sprachausgaben fuer deutsch. Angesichts der enormen, schon nach
kurzer Zeit ueberzeugenden
Sprach- und Tonqualitaet von Speak&Win gegenueber z. B. dem von der
Firma
Hedo nach wie vor
gepflegten Talking Blaster prophezeie ich jetzt mal ganz frech fuer das
Hedo-Produkt ein baldiges und ziemlich unspektakulaeres Ende. Speak&Win
hingegen hat sich meines Erachtens inzwischen zu einem Standard
entwickelt, an welchem sich zukuenftige Neuentwicklungen
deutschsprachiger Sprachausgaben werden messen lassen muessen. Ansonsten
laesst sich wohl sagen, dass wohl so ziemlich jeder der sattsam
bekannten
Anbieter von Windows-Brueckenloesungen inzwischen mit Produktlinien,
welche ausschliesslich den Support von Windows 3.11 pflegen,
verabschiedet haben. W95, W98 und Windows NT ist im Bereich PCs
eindeutig angesagt. Dass das die Marktmasse so beschlossen hat, habe ja
sogar ich als alter OS/2er mittlerweile irgendwie begriffen.

Beste Gruesse

Martin Kirchner