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Re Orientierungshilfe



Hallo FBLINU,
 
die Produktinformation ueber die Orientierungshilfe Sensix hat hier
einige Fragen aufgeworfen. Da ich auch in persoenlichen Mails um
zusaetzliche Stellungnahme gebeten wurde, will ich hier noch einige
Zeilen zu diesem Thema schreiben.
 
1. Die vorlaeufige Produktinformation ist noch zu mager um eine
Einschaetzung abzugeben. Bevor wir ins Spekulieren kommen, sollten wir
weitere Informationen, oder den ersten Testbericht, abwarten.
 
2. Arbeitsweise von Orientierungshilfen mit Ultraschall.
Diese Orientierungshilfen bestehen meist aus Ultraschallsender, 2
Empfaengern, einer Elektronik, die die Auswertung besorgt und einer
Ausgabeeinheit. Der Sender schickt ein Ultraschallsignal, welches von
einem Hindernis reflektiert wird. Die Empfaenger, meist etwas zur
seite ausgerichtet, empfangen das reflektierte Signal und fuehren es
der Elektronik zu. Diese wertet die gewonnenen Daten aus, setzt sie um
und fuehrt sie der Ausgabeeinheit zu.
 
Je nach Entfernung zum Hindernis ergibt sich eine unterschiedliche
Zeit zwischen der Aussendung und der empfangenen Reflektion eines
Ultraschallimpulses. Dies kann man berechnen und als Signal der
Ausgabeeinheit uebermitteln. Die beiden, leicht zur Seite gedrehten
Empfaenger sorgen fuer die raeumliche Erfassung des Signals, innerhalb
eines bestimmten Oeffnungswinkels. Es wird also ein keulenartiger
Bereich, schmal am Koerper, bei ca. 2 m Entfernung 1,40 m breit,
erfasst. (unterschiedlich bei den verschiedenen Produkten)
 
Angenommen, ein Verkehrsschild steht nicht genau in Blickrichtung
(Koerpermitte), sondern etwas nach rechts, so wird der rechte
Empfaenger ein staerkeres Reflektionssignal erhalten. Dies kann die
Elektronik berechnen und an eine steriofone Ausgabeeinheit
weitergeben. Die Menge des reflektierten Ultraschallsignals laesst
weitere Schluesse zu. (Eine
 glatte Hindernisoberflaeche reflektiert fast das volle Signal, eine
transparente Oberflaeche (Hecke, Straeucher, usw) verschlucken einen
Teil und reflektieren nur einen Bruchteil des Sendesignals.
 
Wenn man sich vorstellt, welche Wiedergabegenauigkeit eine
Ultraschalluntersuchung beim Arzt bietet, ahnt man vielleicht, welche
Datenfuelle zur Auswertung gelangen kann. Die Hersteller von
Orientierungshilfen stehen vor dem Problem, diese Datenmenge zu
filtern, der Ausgabeeinheit aber noch so viel Informationen zur
Verfuegung zu stellen, dass der Anwender auch noch einen moeglichst
grossen Nutzen hat.
 
Als Ausgabeeinheit kommen Akustische- und taktiele Signale zum
Einsatz. Da das Ohr, nach dem Auge, das Sinnesorgan ist, welches die
meisten Informationen verarbeiten kann, bietet sich die akustische
Uebertragung an. Von vielen Blinden wird dies aber abgelehnt, sie
wollen die Ohren frei haben und befuerchten eine Ueberflutung mit
Geraeuschen.
 
3. Erfahrungen und Einschaetzung.
Seit 1980 habe ich meine Orientierungsbrille (Sonicguide) im
taeglichen Einsatz. Sonicguide arbeitet nach dem beschriebenen
Ultraschallprinzip. Sehr ungern wuerde ich auf sie verzichten. Oft
habe ich mich schon gefragt, wie ich den Weg durch die ewigen
Baustellen ohne meine Orientierungshilfe geschafft haette.
Wahrscheinlich garnicht!
 
Leider wird "Sonicguide" nicht mehr hergestellt, aber einiges ueber
die Leistungsfaehigkeit muss ich noch schreiben, denn nur so kann man
verstehen, was ich von einer neuen Orientierungshilfe verlange.
 
Ein entferntes Hindernis wird durch einen hohen Ton signalisiert, bei
Annaeherung wird der Ton immer tiefer, bei Beruehrungsentfernung ganz
tief. Natuerlich hoert man auch genau, wo sich das Verkehrschild
befindetund man kann abschaetzen, ob eine leichte Koerperdrehung, zum
Ausweichen ausreicht. Man kann an einer Leitlinie (Hauswand, Hecke,
Zaun) entlang laufen und den gleichen Abstand halten, ohne den Stock
zu benutzen. Ohne den Stock zu benutzen, gehe ich auf eine Ampel zu,
bleibe bei Beruehrungsentfernung (ca. 30 cm) stehen, strecke die Hand
aus und habe den Schaltknopf. (Ohne mit der Hand zu suchen).
 
Das sind nur einige Beispiele, die aber die Anforderungen an eine
Orientierungshilfe gut beschreiben.
 
Den "Pathfinder" habe ich 1996 ca. 9 Monate getestet. Meiner Meinung
nach erfuellt er einige wichtige Grundbedingungen nicht. Das Signal
eines Hindernisses, egal ob Hauswand, Besenstiel oder Zweig, ist
gleich, daher weiss man nicht wie man reagieren muss, bzw. wie weit
ausweichen. Die Orientierung an einer Leitlinie ist fast unmoeglich.
Der erfasste Seitenbereich ist zu schmal. Das Seitensignal ertoent
erst, wenn man mit der Einkaufstasche bereits die Hecke usw. streift.,
befindet sich ein kleiner Vorsprung in der seitlichen Leitlinie
springt das Signal in die Mitte und man glaubt auf eine Wand zu
stossen. Ultraschallsignale, die von Bewegungsmeldern ausgehen stoeren
den Pathfinder (Bewegungsmelder z. B. fuer die Eingangsbeleuchtung).
Mehrfach blieb ich auf einer Strasse, oder Kreuzung wie vom Donner
geruehrt, stehn, dachte dass ich gleich gegen einen Moebelwagen
laufe... aber da war nix!!! Wie weit der Pathfinder weiterentwickelt
wurde, kann ich nicht sagen.
 
Eine Orientierungshilfe sollte uns wirklich eine Hilfe bei der
Orientierung sein. Sie sollte die genaue entfernung zum Hindernis, von
0 bis ca 3 m wiedergeben. Eine genaue Lokalisation des Hindernisses im
Raum ist fuer die Ausweichreaktionen unumgaenglich. Das folgen einer
Leitlinie, im angemessenen Abstand gehoert natuerlich auch zu den
Anforderungen.
 
Persoenlich bin ich der Auffassung, dass eine Orientierungshilfe am
Kopf getragen werden sollte. (Den Kopf kann ich, unabhaengig vom
Koerper oder Langstock, bewegen und Hindernisse aufspueren) Die
akustische Informationsausgabe ermoeglicht ein weites
Informationsspektrum, welches auf taktiele Art nicht erreicht werden
kann.
 
Bisher ist mir noch nichts, aber auch nur annaeherungsweise, so gutes
wie Sonicguide in die Finger gekommen. Leider konnte sich das System
nicht durchsetzen. Meist wurde es mit der Begruendung, dass es zu
kompliziert sei, abgelehnt. (ich finde dies nicht. Man muss nicht alle
Signale auswerten, sondern nur die, die gerade fuer mich wichtig sind)
Alle Orientierungshilfen, die ich bisher gesehen habe, sind so weit
abgespeckt, dass der Nutzen, fuer mich, zweifelhaft ist.
Wie weit und welches Produkt sich am Markt durchsetzen wird, haengt
von uns Verbrauchern ab. Wenn wir nicht bereit sind mit guten
Loesungen zu lernen und zu arbeiten, werden uns schlechter Loesungen
angeboten. Ob diese dann, in ausreichenden Zahlen verkauft werden
koennen ist fraglich.
 
Gruss
 
--
      Werner Haber -- DJ5FM