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Re: Geraeuschgewirr



In article <7ODNpYJPmrB_bEi_mhaenel.lynet.de>, you wrote:

>Wie verhaltet Ihr Euch bei Parties, Feiern oder Festen?

Hallo Matthias, hi Leute,

ich kenne das Problem, und versuche mich auf Festen zu jemandem an den 
Tisch zu setzen. Meine direkten Gespraechsnachbarn verstehe ich in der Regel
noch, und so kann ich nach dem Aussehen des Raumes, nach der Verteilung 
der Gaeste an etwaigen Tischen etc. Durch meinen Rolstuhl ist es - denke ich
- noch einmal ein Stueck wichtiger, so Anschluss an Leute zu bekommen.
Gegenueber direkten Gespraechnachbarn faellt es mir dann auch leichter, mich
- ohne dass es zu sehr auffaellt - in ein Gespraech einzuschalten.
Ohne Blickkontakt ist das eine echte Gradwanderung, wenn man nicht dazwischen-
reden oder seine Gespraechspartner unterbrechen will. Ich weiss nicht, wie 
das ohne Blickkontakt anders gehen soll. Ich versuche meistens, eine 
groessere Gespraechspause abzuwarten, aber selbst dann ist es nicht 
immer einfach. Es nuetzt ja auch nichts, sich zwar in ein Gespraech 
einmischen zu koennen, dafuer aber hinterher dumm dazustehen, weil man 
jemandem ueber den Schnabel gefahren ist.
Das macht ohnehin die ganze Gespraechsatmosphaere kaputt.
Insoweit sollte man nicht um jeden Preis versuchen, sich in Gespraeche ein-
zumischen. Das richtige Gespuer fuer den richtigen Weg zu bekommen, ist ein
gutes Stueck Arbeit, aber es ist auch eine Herausforderung. Nach meiner 
Erfahrung laesst sich fehlender Blickkontakt so jedenfalls zu einem Teil 
- ohne einen dummen Eindruck zu hinterlassen - kompensieren.
Bis zu einem gewissen Grad hilft die Einschaetzung einer Gespraechssituation
anhand der Betonung der uebrigen Gespraechspartner, die einen notduerftigen
Ersatz fuer die Informationen darstellen kann, die ein Sehender aus 
den optischen Gesten ableitet. Gerd, Du hast aber Recht:
Auch mich machen Feste und andere Gespraechssituationen, in denen ich 
denke, dass Sehende anhand der optischen Gestik besser einen Gespraechsfaden
verfolgen koennen als ich selbst, ratlos, teilweise auch frustriert. 
Da versuche ich mir dann, - so gut es geht - auf die oben beschriebene 
Weise ueber die Runden zu helfen. Ob ich damit gegenueber einem Sehenden
Defizite habe, kann ich nicht sagen; mag durchaus sein. Ich kann es 
nur so gut machen, wie mit meinen Moeglichkeiten machbar. 
Schon damit bin ich ein gutes Stueck weiter gekommen, als ich noch vor 
5-10 Jahren dachte.
Es ist uebrigens auch fuer mich das erste Mal, so eine offene Diskussion 
darueber mitzumachen. Bei Versuchen, das Erlebte zu beschreiben, kratzen
wir wohl alle (auch Sehende) nur an der Oberflaeche; denn die akustischen
und optischen Wahrnehmungen, die in einem Gespraech gebraucht werden, machen
wir nur unbewusst, und wir reagieren auch nur onbewusst darauf.

Ciao

Jens-Uwe