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Re: Skandalöse Entscheidung!



Hallo in die Runde,

die Nachricht von Lutz Mueller-Bohlen wirft medienrechtlich eine interessante
Frage auf: gem. den alljahrzehntlich von den Ministerpraesidenten abgenickten
Rundfunkstaatsvertraegen erhaelt der oeffentlich-rechtliche Rundfunk die sog.
Rundfunk- und FS-Gebuehren auch gerade zu dem Zweck, um ansonsten im
werbefinanzierten "Free TV" nurmehr als Spartensendungen Sonntag abends
ausgestrahlte Kulturprogramme vermehrt auszustrahlen (so oder aehnlich liest
sich das jedenfalls regelmaessig in den Staatsvertraegen). Seiner besonderen
Verpflichtung soll der oeffentlich-rechtliche Rundfunk u.a. dadurch
nachkommen, dass er Spartenprogramme fuer Minderheiten sendet. Nach der
Definition der Rundfunkstaatsvertraege sind wir eine Minderheit, deren
Interessen besonders gewahrt werden sollen. Im speziellen Fall sind der
sendenden RF-Anstalt offenkundig noch nicht einmal besondere Kosten
entstanden (kann z.B. so sein bei Zweikanalton, wofuer die
originalsprachlichen Lizenzen zusaetzlich zu entrichten waeren).
Man koennte nun ja auch auf den Gedanken kommen - und ich halte das nicht fuer
voellig aus der Luft gegriffen -, einen derartigen Brief wie den von Fr. Weis
politisch zu instrumentalisieren. Welche Berechtigung geniesst denn der
oeffentlich-rechtliche Rundfunk noch, wenn er es (aus den fadenscheinigsten
Gruenden, wie das Schreiben von Fr. Weis ausweist) noch nicht einmal mehr
schafft, seine originaersten Ziele nachzuvollziehen?
Hier wird in bedenklicher Weise massengeschmaecklerisch und quotengeil eine
ganz bestimmte medienpolitische Entwicklung fortgesetzt, die sich mit dem
Motto zusammenfassen laesst: "Seid gefaelligst zufrieden, wenn fuer Euch ab und
an mal ein paar Brosamen im (- mit Glueck - dann teilweise nur noch regional
empfangbaren) Regionalprogramm abfallen und stoert ansonsten nicht unsere
(bewusst gewollte) Verseichtung".

So kann manīs zumindest betrachten, meint

Alexander Drewes.

-----Urspruengliche Nachricht-----
Von: Lutz Mueller-Bohlen <Lutz.boh_bEi_t-online.de>
An: fblinu_bEi_mvmpc100.ciw.uni-karlsruhe.de
<fblinu_bEi_mvmpc100.ciw.uni-karlsruhe.de>
Datum: Dienstag, 21. Dezember 1999 23:52
Betreff: AW: Skandaloese Entscheidung!


KOPIE

Sehr geehrte Frau Weis,

ich kann als Sehender die Entscheidung Ihres Senders, den Film nicht in
Audiodescrption auszustrahlen, weder verstehen noch in irgendeiner Weise
gutheissen. Es ist eine absolute Diskriminierung der Blinden. Ich frage mich
dabei, wie Sie Ihre Entscheidung als Kompromissloesung bezeichnen koennen; aus
Sicht eines Blinden ist der Kompromiss bitte was? Ihre Bitte um Verstaendnis
fuer Sehende?

Die Vertroestung, diesen Film zu einem spaeteren Zeitpunkt im Bayrischen
Fernsehen auszustrahlen, wird dann vielleicht ebenso interessant wie just
die "Blechtrommel, in der nach ca. 30 Minuten alles aber kein zweiter Ton
fuer Blinde mehr ausgestrahlt wurde. Ich bedanke mich im Auftrage meines
blinden Sohnes, dem ich diesen Film aufnehmen wollte. So gibt es dann eben
fuer ihn keine Moeglichkeit, diesen Meilenstein des deutschen Films zu
"sehen".

Es ist fuer Sie auch lukrativer, irgendwelche Glimmerschmonzetten fuer die
breite Masse zu produzieren, als sich darueber bewusst zu sein, dass gerade
Sie als oeffentlich rechtliches Fernsehen die Verpflichtung haben, auch auf
Minderheiten einzugehen. Ihre Bewertung duerfte sich etwas mit dem
Gleicheitsgebot des Grundgesetzes beissen. Sie vertroesten die nicht gerade
kleine Zahl der Blinden und Sehbehinderten auf die Dritten Programme, damit
diese auch genau wissen, wo sie hingehoeren.


Mit freundlichen Gruessen
Lutz Mueller-Bohlen